Der große Knall: Wann explodiert ein Auto? Nach der Explosion eines Autos mit Flüssiggasantrieb bei Bad Segeberg stehen die Experten vor einem Rätsel

Hannover. Der Unfall hat bundesweit für Aufsehen gesorgt: Ein 53-jähriger Mann war vor einer Woche bei Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) mit seinem Ford Focus gegen einen Baum gerast, der Wagen geriet in Brand und explodierte, als die Feuerwehrmänner das Auto löschen wollten. Die Bilanz: ein Toter und zehn teilweise schwer verletzte Helfer. Der Ford Focus war auf Flüssiggasantrieb umgerüstet worden. Jetzt steht die Frage im Raum: Sind Autos mit Gasantrieb tatsächlich so sicher, wie die Hersteller immer behaupten? Und wann kann ein Auto tatsächlich explodieren?

Der große Knall - in amerikanischen Actionfilmen gehen Autos gerne einmal mit riesigem Krawamm in Feuerbällen auf. Wie realistisch ist ein solches Szenario? Und hängt die Explosionsgefahr vom Treibstoff ab, mit dem man sein Auto betankt? Die Antwort ist eindeutig: In Brand geratene Autos können nicht explodieren, egal ob sie nun mit Diesel, Superbenzin, Flüssiggas oder Erdgas angetreieben werden. Es sei denn, es ist Sprengstoff an Board.

Und doch ist es bei Bad Segeberg passiert. Thomas Kütter, Prüfungsingeneur der Dekra in Hamburg, die bei der Unfallaufnahme mit einbezogen war und für die Analyse der Unglücksursache zuständig ist: "Normalerweise haben Gastanks Überdruckventile, so einfach explodiert da nichts." Allerdings räumt Kütter auch ein: "So etwas hat es bisher noch nicht gegeben."

Dem Dekra-Spezialist kann über die mögliche Explosionsursache nur spekulieren, da die Untersuchungen an dem Fahrzeug noch laufen und deshalb noch keine abschließenden Ergebnisse vorliegen: "Möglicherweise war das Überdruckventil festgerostet, sodass das Gas nicht mehr entweichen konnte." Die Ventile werden bei den regelmäßigen technischen Hauptuntersuchungen durch den TÜV oder die Dekra nicht geprüft. "Das wäre viel zu aufwendig, weil die Tanks ins Innern der Fahrzeuge untergebracht sind", mein der Ingenieur. "In der Vergangenheit hat es da auch noch nie Probleme gegeben."

Fest steht: Der Ford Focus wurde im Jahr 2005 produziert, was sich inzwischen anhand der Fahrgestellnummer feststellen ließ. Ford-Sprecher Isfried Hennen: "Unser Tochterunternehmen CNG-Technik, das die Umbauten auf Flüssig- oder Erdgas an unseren Fahrzeugen vornimmt, hat erst 2007 damit begonnen, den Focus auf LPG beziehungsweise Flüssiggas umzurüsten. Das Unfallfahrzeug ist also nicht von Ford umgerüstet worden. Grundsätzlich gilt nach wie vor, dass Gasfahrzeuge mindestens genauso sicher sind wie Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb. Deshalb können wir den Unfall auch nicht rekonstruieren, es gibt noch zu wenig Einzelheiten."

Auch der Sicherheitsexperte Hubert Paulus vom ADAC hält eine Explosion bei einem technisch einwandfreien Zustand des Fahrzeugs für ausgeschlossen: "Wir haben Feuer unter Autos gelegt und das Gas abgefackelt, unsere jahrelange Testarbeit hat dabei ergeben, dass diese Autos genauso wenig gefährdet sind wie alle anderen auch." Paulus weiter: "Aber ich habe die Fotos von dem Tank des Unfallautos gesehen, er wurde vollkommen auseinandergerissen." Das sei ein Hinweis darauf, dass der Tank den zu hohen Druck im Innern nicht habe abblasen können. Auch ein Materialfehler könne nicht ausgeschlossen werden.

Sein Kollege, ADAC-Sprecher Christian Buric: "Wir nehmen auch an, dass möglicherweise die Umrüstung nicht fachmännisch vorgenommen oder später fehlerhaft daran gearbeitet wurde, denn nach dem heutigen Stand der Technik ist das, was passiert ist, nahezu unmöglich." Eines schließen aber alle Experten aus: Den typischen Filmfall, dass ein Auto einen Abhang herunterstürzt und anschließend explodiert, gibt es nicht. Paulus: "Das ist absoluter Schmarren."

Die Brandgefahr ist real

Wenn die Explosion eines Autos auch so gut wie ausgeschlossen ist, die Brandgefahr ist durchaus real: Ursache hierfür sind meist technische Probleme im Motorraum wie Kabelbrände oder überhitzte Bremsen. Weitet sich ein Brand bis in die Nähe eines Tanks aus, geht dort die Temperatur hoch. Dadurch steigt der Druck im Tank. Bei zu großem Druck reißen bei konventionellen Antrieben die Schweißnähte des Tanks, der Treibstoff kann austreten und sich entzünden. Eine Explosion ist aber so gut wie ausgeschlossen. Bis ein Auto vollständig in Flammen steht, dauert es nach Untersuchungen der Feuerwehr rund acht Minuten. Das ist die Zeit, die bleibt, um Insassen zu retten.

Quelle: Walsroder Zeitung, 30.09.2014
Text: Gerd Piper
Foto: © MacX - Fotolia.com

heidekreis-bottom

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.